Mal geht es dir gut, mal geht es dir schlecht. Das ist ganz normal und vor allem ist das die Art von Stimmung, um die es heute gar nicht gehen soll. Viel mehr soll es darum gehen, welche Stimmung, welches Gefühl in einer Situation herrscht. Wie es sich anfühlt und anhört, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu sein.
Der Spielleiter hat die Möglichkeit, mit kleinen Mitteln eine Szenerie so auszuarbeiten und zu beschreiben, dass jeder einschätzen kann, an was für einem Ort man gelandet ist. Oder: Wie der Ort, an dem man sich befindet, wirken soll. Und wenn man gerade erst anfängt, Spielleiter zu sein, dann kennt man vielleicht die Nuancen auch noch nicht, die eine Beschreibung zu etwas Intensivem machen können.
Nehmen wir mal das Beispiel eines Gasthauses.
Jeder kennt es. Oder glaubt ihr, es gibt einen Rollenspieler dort draußen, der noch nie epische Szenen in einer Schänke erlebt hat? Warum eigentlich nicht der Krämerladen? Oder der Dorfbrunnen?
Aber gut, ich schweife ab. Und eigentlich spielt es auch fast keine Rolle, welcher Ort der Schauplatz eurer Szene ist. Wir bleiben beim Gasthof.
Dem Spielleiter stehen unterschiedlichste Möglichkeiten zur Verfügung, seinen Spielern zu beschreiben, wie es dort aussieht, wie es dort riecht, und wie Dinge, Menschen und Eindrücke wirken. Hier mal ein Beispiel, das deutlich machen soll, wie unterschiedlich so etwas ablaufen kann.
Entweder so:
„Ihr befindet euch an einer Schenke. Als ihr eintretet, drehen einige der Gäste ihre Köpfe zu euch, beäugen euch kurz und widmen sich dann wieder dem Inhalt ihrer Gläser. Ihr setzt euch an einen runden Tisch und wartet darauf, dass sich die Schankmagd um euch kümmert. Ihr freut euch auf etwas zu Essen und etwas gutes zu Trinken.“
Oder aber so:
„Das Wetter ist wirklich eine Qual: Es ist windig, kalt und es regnet kalte, schwere Bindfäden. Ihr seid völlig durchnässt und durchgefroren, als ihr endlich die hölzerne, schwere Tür des Gasthauses aufstoßt. Das hölzerne Schild, das quietschend über dem Eingang hin und her schaukelt trug die Aufschrift „Zum wütenden Keiler“. Zitternd und mit tropfenden Mänteln betretet ihr den großen, warmen Raum, der rundherum durch Kerzen an den Wänden beleuchtet wird. Als ihr euch umschaut, entdeckt ihr bunte Malereien an den Wänden – und einige misstrauisch drein schauende Augenpaare, die euch zugewandt sind. Ein einziger Tisch ist noch frei – er ist rund und die Beine sind filigran verziert mit verschiedensten Ornamenten, Ranken und Blumen. Die Oberfläche ist ganz glatt und glänzt. Ihr zieht eure Mäntel aus und hängt sie über die Stuhllehnen. Die Schankmagd kommt auf euch zu – es scheint fast, als würde sie tänzeln. Ein fast schon übertrieben freundliches Lächeln liegt auf ihren Lippen. Sie bietet euch das beste Essen und das beste Bier der Stadt an. So, wie ihr die Düfte aus der Küche in eure Nasen aufsaugt, könnte sie recht haben. Wie angenehm es ist, zu merken, wie die Wärme langsam durch eure Glieder fährt. Und auch ein voller Bauch und ein leichter Schwips werden gleich gut tun.“
Und? Welche Variante gefällt euch besser?
Vielleicht habt ihr es schon gemerkt: Die wichtige Information ist die, dass ihr gerade in einem Gasthaus seid. Alles, was drum herum erzählt wird, ist ausschmücken … und jetzt kommt das “Aber”: Aber das kann auch das eine oder andere Bild in eurem Kopf hervorrufen und versteckte Hinweise in Bezug auf das, was auf euch wartet, beinhalten … In der zweiten Version erhaltet ihr viel mehr Informationen über die Stimmung in der Szene, als in der ersten. Der Tisch an dem ihr sitzt scheint hochwertig zu sein – ungewöhnlich für ein „normales“ Gasthaus … und die Magd ist … irgendwie … sagen wir: etwas merkwürdig.
Grundsätzlich gilt natürlich auch hier: Übertreiben sollte man auch die Beschreibungen einer Szenerie nicht.
Und mir ist auch klar, dass kein SL dieser Welt die Zeit hat, so detailliert alle Szenen auszuarbeiten, um sie dann anschließend herunterzubeten. Das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch – Zeit, in der man lieber aktiven spielen würde. Und hinzukommend nimmt es auch Freiheit: Mit jedem kommunizierten Detail zieht der SL die Schlinge der Improvisationsmöglichkeiten etwas enger. Es ist also ein schmaler Grat, den man finden und gehen muss
Aber natürlich gibt´s auch die Möglichkeit, wenige Worte zu nutzen, die aber trotzdem intensiv sind und alles ausdrücken, was eine Szenerie beschreibt – und was diese Szene eben auch braucht. Die Sätze, wie ich sie euch gerade geschrieben habe, sollen euch nur daran erinnern, was für einen Unterschied Sprache ausmachen kann.
Sucht das beste Maß an Details, um eurer Spielgruppe so viel Stimmung wie möglich zu vermitteln. Und wenn ihr euch unsicher seid, ob ihr zu viel oder zu wenig beschrieben habt, dann fragt einfach eure Gruppe. Die Spieler sind schließlich diejenigen, die an den Lippen des Spielleiters hängen, um alles mögliche zu erfahren, um ihre Geschichte zu erzählen. Und ihr wollt gemeinsam die bestmögliche Zeit in ABOREA verbringen. Daher scheut euch nicht, Feedback einzuholen! Es ist noch kein Spielleiter vom Himmel gefallen. 😉
Ein kleiner Tipp an die fleißigen SL dort draußen:
Wenn es eine Szene gibt, die wirklich wichtig ist und die ihr gern so detailliert wie möglich beleuchten möchtet, dann macht euch Vorlesetexte fertig, die ihr vortragt. Denkt nur immer daran: Jedes Detail, das ihr erwähnt, könnte dazu führen, dass euch aufmerksame Spieler damit konfrontieren. Also seid euch der Infos, die ihr rausgebt, bewusst!
Das gilt aber nicht nur für den Spielleiter in eurer Gruppe, sondern auch für die Spieler. Auch ihr habt natürlich die Möglichkeit, etwas detaillierter zu beschreiben, wie es euren Charakteren geht, wie genau ihr heute ausseht, wie ihr etwas empfindet, das der Spielleiter euch gerade beschrieben hat.
Denkt immer daran, dass das Bild, das in eurem Kopf durch die Erzählungen von jemandem gemalt wurde, trotzdem einzigartig ist und sich von den Bildern in den Köpfen eurer Mitspieler unterscheidet. Nur, wenn ihr etwas genau beschreibt, dann könnt ihr dadurch dafür sorgen, dass das Bild in den Köpfen der anderen zumindest ähnlich ist.