von Anja Eble
Der Wind fuhr mit Macht in die Stube des Wirtshauses „Humpenhöhle“, als die Türe weit aufgerissen wurde. Ein Trupp Bauersknechte polterte herein, johlte nach Bier und Eintopf und warf die schneefeuchten Jacken am Feuer über die Stühle. Sunas Blick irrte über die Neuankömmlinge und ein kleines Lächeln huschte über ihr müdes Gesicht, als sie in dem grölenden Trupp Korschs hagere Gestalt entdeckte. Der Wirt schlug ihr mit der Hand auf den Hintern und schob sie in Richtung der Männer. „Nun steh nicht faul rum und träum! Geh und kümmere dich um die Bestellungen, unnützes Ding! Und dann wisch die Pfütze auf, bevor sich noch einer die Haxen bricht!“ Sie raffte die Röcke und beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen.
Es war voll in der Humpenhöhle heute Nacht, denn der Schnee fiel schon den ganzen Tag unerbittlich in dicken feuchten Flocken und machte das Arbeiten schwer und die Leute unleidlich. Fast jeder im Umkreis war auf mehr als nur ein einzelnes Bier im warmen Halbdunkel der „Humpenhöhle“ vorbeigekommen. Viele hatten ihre großen Korbflaschen mitgebracht, um sie noch einmal auffüllen zu lassen, bevor sie einzuschneien drohten. Jeder wartete, dass der Schneefall nachlassen würde und vertrieb sich die Zeit mit Trinken, den Würfeln und derben Späßen.
Für Suna bedeutete es viele Extrarunden, auch barfuß hinunter in den eisigen Keller, um die großen Flaschen aufzufüllen und nachher die steilen Stufen hinauf zu schleppen. Zwar steckte ihr manch einer eine kleine Münze als Extra in den Blusenausschnitt, doch war sie die tätschelnden tastenden Hände der Betrunkenen gründlich leid und wünschte sich schon seit Stunden nichts lieber, als dass alle endlich bierselig den Heimweg antreten würden. Sie versorgte die Bauersknechte mit Bier und Eintopf, erntete einen Kuss von Korsch, einige Kniffe in den Hintern und keine einzige Münze Trinkgeld. Die Männer waren alle nur Knechte und die Münzen saßen nicht gerade locker. Suna machte sich daran, den Schnee, der mittlerweile zu einer großen Pfütze vor der Türe geschmolzen war, aufzuwischen. Kaum war sie fertig, flog die Türe erneut auf, stieß ihr schmerzhaft in die Rippen und brachte den Jäger samt einer neuen Ladung Schnee hinein.
Seufzend kniete sie sich wieder hin, um weiter zu wischen, während der neue Gast es sich, wie immer, nah am Kaminfeuer gemütlich machte. Bevor sie ging, um ihn nach seinen Wünschen zu fragen, fing sie Korschs Blick auf, der sie mit einer kurzen befehlenden Kopfbewegung an seinen Plan erinnerte. Dann wandte er sich wieder seinen Freunden zu, um mit ihnen bildliche Vergleiche über den Busen der Bauerstochter anzustellen, wobei Kürbisse eine große Rolle zu spielen schienen. Suna sah an sich hinab und versuchte die Gedanken weg von Äpfeln und hin zu ihrer Aufgabe zu wenden. Eine Kralle, aber eine scharfe, am besten von einem Wolf oder sogar Bären, sollte sie für Korsch besorgen. Suna wusste, dass der Jäger den Abend mit einigen Humpen Starkbier und den Arbeiten an Schnitzereien aus Fängen und Knochen verbringen würde. Wenn einer solch eine Kralle haben könnte, dann wäre er es und es würde sie einiges an Schmeicheleien und Tändelei kosten, um sie ihm zu entlocken. Also setzte sie ein Lächeln auf, und machte sich notgedrungen an die Arbeit.
Der Schreck fuhr ihr in den Magen und prickelte ihr Rückgrat hinunter, als sie im dunklen Flur plötzlich gepackt und an die Wand gedrückt wurde. Aber dieses Mal war es nur Korsch, der sie biertrunken küsste und ihr dann ins Ohr raunte „Und? Hast du es?“ Sie nickte und seine Hand fuhr ihr in die Bluse. Als er mit der Wolfskralle auch einige ihrer Trinkgeldmünzen zu fassen bekam, protestierte sie leise. „Das ist mein sauer verdientes Geld!“ Aber er lachte nur und küsste sie wieder ungestüm und rieb sich an ihr. Er schmeckte nach schalem Bier und Zwiebelsuppe. „Wir brauchen es Liebchen, für mein neues Leben in der Stadt! Ich muss Reiseproviant kaufen. Wir treffen uns morgen Nacht, am alten Glockenturm.“ Dann eilte er den Flur entlang, zurück in die warme Schankstube. Suna musste hinaus in die Kälte, mehr Dörrapfelscheiben für die hungrigen Gäste aus dem Anbau holen. Sie hatte das blau geschlagene Auge gesehen und die Schrammen in Korschs Gesicht. Und auch wenn er großmäulig behauptet hatte, er habe sich geprügelt, so wusste sie doch, dass es Bauer Wolter selbst war, der eine harte Handschrift schlug. Korsch, so rüpelig und streitlustig er auch war, hatte als Knecht keine Wahl und konnte nur einstecken, statt auszuteilen, was seinen Zorn heißer geschürt hatte, als gut für den Bauern war. Morgen Nacht würde er seinen Plan umsetzen und sobald er sich gerächt hatte, würden sie das Dorf verlassen. In der Stadt würde sich hoffentlich alles zum Guten wenden.
Der alte Glockenturm ragte still und dunkel gegen den Sternenhimmel auf. Hohe Schneeverwehungen hatten die Schäden des Brandes vor einigen Jahren gnädig zugedeckt. Eingerahmt von den schlanken hellen Birkenstämmen, die ihn umstanden, sah der Turm im blassen Mondlicht fast ein wenig verwunschen aus. Der richtige Ort, um Magie zu wirken. Fröstelnd zog Suna ihr Schultertuch enger und stapfte mit den Füßen, um sich aufzuwärmen. Ihr Atem stand als weiße Fahne vor ihrem Gesicht und ab und an taumelte eine einzelne Schneeflocke gen Boden. Schon bald würde es wieder richtig zu schneien beginnen. Der Geruch der gestohlenen Dörrapfelscheiben drang ihr aus dem Beutelchen an ihrer Hüfte in die Nase und ließ ihren Magen knurren. Es war so spät, dass es fast schon wieder früh war, doch die Wintersonne würde wohl noch eine Weile auf sich warten lassen. Nur die beißende Kälte hielt Suna davon ab, vor Erschöpfung einzuschlafen. In der „Humpenhöhle“ war auch heute Nacht viel zu tun gewesen. Sie hatte einige neue blaue Flecken einstecken müssen, als sie den Gästen nicht schnell genug bediente. Suna kramte den Duftsai aus dem Beutel und drückte ihre Nase tief in die knisternden trockenen Blüten. Sie rochen leicht würzig, nach Sommer und Wärme, und vertrieben zögerlich den zarteren Duft des Dörrapfels. Normalerweise lag der Zweig Duftsai mit den winzigen kleinen lila Blüten in ihrer Bettkiste, gleich neben dem Ersatzkleid und der Sommerdecke, um die Motten fern zu halten. Heute Nacht würde er anderweitig gebraucht werden.
Was hatte Loemi, die alte Dorfhexe noch gesagt? Für den Fluch – Korschs Rache und Abschiedsgeschenk an Bauer Wolter – brauchte man so einiges. Eine Kralle, etwas Lebloses, etwas Vertrocknetes, etwas Verblühtes und eine Glocke. Und es musste eine Nacht voller Schnee sein, damit der Fluch wirkte und man den bestrafen konnte, der Strafe verdient hatte. Aber nach dieser letzten Racheaktion, würden sie sich endlich auf den Weg in ein neues Leben in der Stadt machen. Noch bevor der Frühling käme, würde Korsch sie heiraten, das hatte er Suna schließlich beim letzten Sommerfest versprochen, bevor er sie ins Heu gezogen hatte. Also hatte Suna die Kralle vom Jäger erschmeichelt, die Dörräpfel waren das Vertrocknete, der Duftsai verblüht. Korsch würde ein Schlittenglöckchen bringen und das Leblose. Was das wohl sein würde? Dann wäre das Sprechen der Formel an ihr, während Korsch alle Zutaten verbrennen würde.
Suna hatte die Zauberformel auswendig gelernt, was nicht einfach gewesen war, da sie weder lesen noch schreiben konnte. Die Worte waren wie Steine in ihrem Mund herum gerollt, bis sie endlich die Aussprache so hinbekam, dass Loemi zufrieden war. Allein, ihr fehlte der Glaube. Korsch war Feuer und Flamme bei der Vorstellung, dem Bauern eine gehörige Portion Schmerzen zurückzuzahlen und der Fluch würde dafür sorgen, dass es angeblich nicht auf ihn zurückfallen würde. Aber die alte Loemi war – soweit Suna es beurteilen konnte – auch nicht mehr als eine verrückte Alte. Zwar verstand sie sich auf den Einsatz einiger Teekräuter und Wadenwickel, aber Loemi war von Magie sicherlich genauso weit entfernt, wie Korsch von Zurückhaltung, wenn er provoziert wurde. Aber ein Versuch würde wohl nicht schaden und sie wusste, wie sehr Korsch nach Rache lechzte. Seufzend stecke sie die Finger in die Achselbeugen, um sie aufzuwärmen und wartete weiter, während die Schneeflocken zu fallen begannen.
„Götter, wie das stinkt!“ Suna rümpfte die Nase, denn die fette tote Ratte schmurgelte auf dem kleinen Feuerchen, dass sie im Schutz der halb eingestürzten Mauer des alten Glockenturmes angezündet hatte. Der vertrocknete Duftsai war als erstes ein Raub der Flammen geworden und auch die Dörrapfelscheiben waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Aber die Ratte, der Korsch im Stall mit der Schaufel den Schädel eingeschlagen hatte, wollte nicht so recht Feuer fangen. Jetzt stank es erbärmlich nach verbranntem Fell und Fleisch. Der Rauch hatte Suna husten lassen, aber sie hatte sogar die Kralle noch gegen die kleine Schlittenglocke geschlagen, bevor sie sie zu der Ratte ins Feuer warf – nur um sicherzugehen – dass alle Zutaten für den Zauber galten. „Hat es funktioniert?“ Korsch sah sie ungeduldig an und Suna zuckte die Schultern. „Es ist doch Magie, wo bleibt der Blitz? Bunter Rauch oder wenigstens ein komisches Gefühl im Magen? Hast du den Spruch richtig gesagt? Das waren doch keine richtigen Worte!“ Misstrauisch starrte Korsch sie durch den Rauch an und verpasste ihr einen tadelnden Schlag mit der flachen Hand, gegen den Hinterkopf.
Suna hatte einmal den Husten nicht unterdrücken können, während des Spruches, doch sie beeilte sich zu nicken. „Es war genauso, wie Loemi es mich gelehrt hat“, versprach sie schnell, weil sie den Zorn schon in Korschs Augen hochfunkeln sah. „Vielleicht braucht es seine Zeit?“ Korsch knurrte ungehalten und wanderte rastlos am Feuer auf und ab, wie ein Tier in der Falle. Mit jedem Schritt stieg seine Wut. Schließlich trat er eine ordentliche Ladung Schnee gen Feuerchen, dass es zischte und knisterte und schnaubte aufgebracht. „Wir werden sehen, ich muss zum Hof zurück.“ Mit großen Schritten stapfte er wütend davon. „Was wird aus unserer Reise in die Stadt? Wann…“, Suna brach ab, sein schlanker Rücken war schon zwischen den Birkenstämmen im Schneegestöber außer Sicht. Seufzend machte sie sich daran, das Feuer ordentlich zu löschen und verbrannte sich die Finger am Schlittenglöckchen, als sie die traurigen Überreste aus der Glut klaubte. Kurz spielte sie sogar mit dem Gedanken, die angeschmorte Ratte zu vergraben, aber sie hatte keinen Spaten und der Boden war von einer dicken Schneeschicht bedeckt. „Es tut mir leid“, hauchte sie. Dann raffte sie die Röcke und machte sich auf den Heimweg. Sie hielt nur einmal kurz lauschend inne, als aus der Ferne ein Läuten wie von großen Glocken klang. Doch es war wohl nur der Wind, der sie narrte.
Das dunkle Glockengeläut weckte Korsch. Es war noch finster im Stall, aber wenigstens warm. Laut und deutlich drang das Dröhnen von Glocken durch die Nacht. Alarm! Er war schon aufgesprungen und in die Schuhe gestiegen, bevor ihm bewusstwurde, dass es nicht sein konnte. Seit Jahren schon war der Glockenturm abgebrannt, die zwei Glocken eingelagert. Es gab einfach im Umkreis nichts, was so läuten konnte. Und doch hörte er jeden schweren dunklen Schlag der Glocken durch die Nacht dröhnen. Eine Ratte huschte ihm fast über die Füße, hielt kurz inne, als sie ihn gewahr wurde und bleckte fauchend die Zähne. Im Licht und Schattenspiel der Stall-Laterne hoch oben am Balken, gerann die Finsternis über dem Kopf der Ratte. Einen närrischen Moment hatte Korsch den Eindruck, als würden über den im Feuerschein blitzenden Augen des Tieres gedrehte Hörner aus schwarzem Fell ragen. Dann jagte das Tier weiter. Im Stroh um ihn herum raschelte es. Korsch sah sich erstaunt um, entdeckte immer mehr Ratten. Große dunkle Ratten, mit blitzenden Zähnen und gedrehten Hörnern über feurigen Augen. Angst prickelte sein Rückgrat hinab und von irgendwo brachte ein Windstoß den schwachen Duft von Äpfeln. Korsch wurde schwindelig und er tastete an der Stallwand entlang nach einer Waffe. Er bekam die Birkenrute zu fassen, die er auf dem Heimweg noch geschnitten hatte, um wütend den Schnee von den Büschen zu dreschen, weil sein Racheplan wohl nicht aufgegangen war. Dann strömten die gehörnten Ratten wie eine dunkle Flut heran und die Glocken dröhnten dumpf durch die Nacht.
Als er das nächste Mal erwachte, war es von Stimmengewirr – im Hof herrschte Aufruhr. Als er sich mühsam und mit übel schmerzendem Kopf erhob, musste er sich übergeben. „Was ist das? Blumen?“ Verwirrt starrte er einen Moment auf das Erbrochene, spähte dann aber doch neugierig durch einen langen Spalt im Holz der Scheunenwand hinaus auf den Hof. Die Sonne ging auf und die ersten Strahlen des Morgenlichts beleuchteten die schockierten Bediensteten, die von überall gelaufen kamen, um sich um die Gestalt des Bauern Wolter zu versammeln, die ausgestreckt reglos auf dem Boden lag. Er trug die Reste seines Nachtgewandes, das ihm in blutigen Fetzen am Leib hing und seine Augen starrten blicklos in den rosigen Morgensonnenhimmel. Um ihn herum lagen überall blutige Weidenruten und vereinzelt zertrampelte große Ratten mit schwarzem Fell. Sie hatten keine Hörner über den Augen. Korsch schaute so genau hin, wie sein schmerzender Kopf es erlaubte. Keine Hörner. Es waren nur tote Ratten, ganz genau wie die, der er für den Zauber den Schädel mit der Schaufel eingeschlagen hatte. Korsch unterdrückte ein nervöses Auflachen. Trotzdem waren sie tot. So tot wie der Bauer. Sein ganzer Leib war bedeckt mit blutenden Striemen, die Arme nur noch eine blutige zerbissene und zerschlagene Fleischmasse in dem vergeblichen Versuch den Kopf zu schützen. Er konnte noch nicht lange tot sein, denn immer noch sickerte Blut in den zerwühlten Schnee. Korschs Magen rebellierte und er übergab sich erneut. Seine Wut auf den Bauern war verraucht, ersetzt durch pures Entsetzen. Er konnte sich nicht erinnern! Er erinnerte sich nur an die gehörnten Ratten und dann war da nur noch Schwärze. Die gehörnten Ratten. Krampn! Wie in den Kindergeschichten, fiel es ihm ein. Man nannte sie Krampn. Und es mussten nicht immer Ratten sein, es gab auch Geschichten in denen es gehörnte Frettchen waren, sogar Hasen oder Hamster. Die kleinen Tiere kamen in den Winternächten, um die Bösen zu bestrafen. Um begangenes Unrecht zu sühnen.
Sei brav, sonst kommen die Krampn und bestrafen dich, hatte seine Mutter immer zu ihm gesagt. Aber Korsch hatte nur gelacht, bis sie nach der Birkenrute gegriffen hatte, um ihn zu schlagen. Er erinnerte sich an die blutigen Striemen auf seinem Po. Sie hatte erst damit aufgehört, als er langsam älter wurde, als er sich wehrte und sie schlug. Er erinnerte sich noch an das seltsame Gefühl aus Triumpf und Erstaunen, als seine Mutter entsetzt vor ihm zurückwich, damals. Sie hatte nie mehr die Hand gegen ihn erhoben und er hatte bald darauf den Hof verlassen und war bei Bauer Wolter in Lohn und Brot gegangen. Und jetzt war der Bauer tot. „Korsch?“, Sunas Stimme war leise, rau und irgendwie traurig. Ein Geruch von Dörrapfel streifte Korschs Nase, als er sich zu ihr umdrehte. Wieso war sie hier? Er zwinkerte im Zwielicht der Scheune und versuchte zu verstehen, was er sah.
Sie stand im Scheunentor, dunkel gegen den hellen Morgenhimmel, ihre Arme hingen schlaff an ihr herunter, als hätte sie jede Kraft verlassen. In beiden Fäusten hielt sie Birkenruten, rot von Blut. Sie war nackt und doch bedeckte dunkles Fell ihren Leib, die Augen schimmerten wie im Feuerglanz. Ihre Stirn war gekrönt von zwei mächtigen schwarzen gedrehten Hörnern und sie umspielte ein Geruch nach Dörrapfel. Zu ihren Füßen lagen kleine lila schimmernde Blüten und um ihre Waden zuckte das Ende ihres langen Rattenschwanzes unsicher hin und her. In der Ferne, schlug dumpf eine große Glocke. Suna straffte sich, hob die Birkenruten. Schatten verdichteten sich, wuchsen und formten sich zu gehörnten schwarzen Ratten, die um sie herum wuselten wie eine Welle aus dunklen Leibern. Schon drängten sie sich um sie, ganz in gespannter Erwartung. Sunas Stimme war leise, fast ein wenig verträumt. „Ich habe von Ratten geträumt. Es war seltsam, überall war Blut…“
Korsch wich panisch an die Scheunenwand zurück. „Suna!“, flehte er, aber sie legte nur den Kopf schief, als würde sie auf etwas lauschen. Und da war er wieder, der dumpfe Schlag von Glocken in der Ferne. „Ist es nicht seltsam, dass die kleinen unscheinbaren Wesen die Macht haben, um zu Monstern zu werden, wenn man sie nur lange genug quält?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, sanft und leise. „Wusstest du, das Krampn entstehen, um zu bestrafen?“ Sie klang fast ein wenig erstaunt und dann lächelte sie, ein verträumtes leichtes Lächeln. „Wusstest du, dass ich viele Besuche gemacht habe in dieser Nacht? Ich habe so viele Leute besucht und sie verdienten es alle. Wusstest du, dass deine Freunde mir, bevor sie zu schreien begannen, erzählten, dass du in der Stadt gleich zwei Liebchen hast? Das du gar nicht vor hattest, mich mitzunehmen, wenn du gehst? Deswegen besuche ich dich als Letzten.“ Sie seufzte leise, die Krampn, zu ihren Füßen zischten und bleckten die scharfen Zähne. „Ich bin so müde. Gleich werde ich endlich in Ruhe schlafen können.“ Sie trat auf ihn zu und die Krampn ergossen sich wie ein pelziger Strom in seine Richtung. Suna ließ die Birkenruten hinabsausen und Korsch blieb nur, zu schreien.
Krampn (SG 1-15*)
Krampen erscheinen stets in der Form des zur Beschwörung verbrannten Tierkadavers, meist einer Ratte, eines Hasen, Frettchens oder Hamsters. Ungeachtet der genauen Form handelt es sich tatsächlich um kleine, gehörnte Dämonen.
TP 2 je Individuum, INI +1, Biss, KB 2, Schaden -2, Rüstung 7, Zauberresistenz 1, Dämon, Schwarm, Schatz -.
Dämon: Aufgrund seiner dämonischen Natur besitzt ein Krampn Zauberresistenz 1 und einen Rüstungsbonus von +1 (Bereits in den Werten verrechnet). Sie können wie andere Dämonen auch mittels schwarzer Magie unter Kontrolle gebracht (Beherrschung), gebannt (Bannung) und zerstört (Zerstörung) oder durch Waffengewalt getötet werden.
Schwarm: Krampn treten stets im Schwarm auf. Je nach Macht der Formung kann die Anzahl zwischen 2 und 30 betragen. Jeder Krampn gilt als ein Individuum und kann einmal pro Runde angreifen. Für jeweils 2 Punkte Schaden reduziert sich die Größe des Schwarmes um ein Individuum, wobei jeder Angriff durch eine Waffe nur einen Krampn töten kann. Flächenangriffe, z. B. durch Zauber, können jedoch mehrere Kreaturen gleichzeitig töten.
*) Der SG (und damit auch die Kreaturenstufe) ist von der Anzahl an Krampn abhängig: 2 Krampn besitzen SG 1. Für je zwei weitere Kreaturen erhöht sich der SG um 1.
Ritual: Krampn herbeirufen (Schwarze Magie)
Das Ritual zur Beschwörung und Kontrolle der Krampn erfordert neben den eigentlichen Zaubern Beschwörung (Rang 4) und Beherrschung (Rang 6), fünf weitere Zutaten, die in einem offenen Feuer verbrannt werden müssen: Eine Kralle, etwas Lebloses, etwas Vertrocknetes, etwas Verblühtes und eine Glo >Das Leblose bildet die Grundlage des physischen Abbildes. Es muss sich um ein kleines Säugetier handeln, welches nicht größer als ein Hase ist.
- Die Kralle verleiht den Krampn die Macht, physichen Schaden anzurichten. Am häufigsten sind Bärenkrallen, allerdings können auch die Krallen eines Berglöwen oder anderen Raubtieres verwendet werden.
- Das Vertrocknete, z. B. Dörrobst oder Brot, ist das symbolische Futter für die Tiere. Es muss pro beschworenem Krampn genau ein Stück verbrannt werden, damit das Ritual einwandfrei funktioniert!
- Das Verblühte soll beruhigend auf die Krampn wirken, sodass dem Former genug Zeit bleibt, die Dämonen unter seine Kontrolle zu bringen.
- Die Glocke ruft die Dämonen aus ihrer Daseinssphäre herbei, sofern sie vor dem Verklingen mit der Kralle zusammen ins Feuer geworfen wird.
Der Ablauf des Rituals:
Zunächst werden das Leblose und das Vertrocknete in ein offenes Feuer geworfen, währendessen spricht der Former den Zauberspruch (Beschwörung, Schwarze Magie 4). Anschließend folgt das Verblühte. Zum Ende des Rituals wird die Glocke mit der Kralle angeschlagen und vor dem Verklingen des Tones werden beide in die Flammen geworfen. Wichtig ist es dann, im rechten Moment den Zauber Beherrschung (Schwarze Magie 6) zu formen, um die Krampn unter Kontrolle zu bringen.
Die Wirkung des Rituals:
Bei erfolgreicher Durchführung des Rituals stehen die Krampn für die Dauer des Zaubers (Beherrschung) unter der Kontrolle des Beschwörers bzw. einer von diesem benannten Person (sofern die entsprechende Erweiterung genutzt wurde). Sie werden ihren Meister nicht angreifen und seinen Befehlen Folge leisten. Nach Ablauf des Zaubers verschwinden die Krampn wieder von allein. Wird ein Krampn getötet, so verschwindet der Dämon ebenfalls und zurück bleibt nur der Kadaver des bei dem Ritual verwendeten Tieres.
Sollte bei dem Ritual jedoch ein Fehler unterlaufen sein, so nehmen die Krampn auf perfide Art und Weise Rache an ihrem Meister. Unbemerkt stacheln sie ihn dazu an, seinen Rachegelüsten freien Lauf zu lassen. Zumeist führt dies dazu, dass erheblich mehr Personen von den Krampn bestraft werden als es der Meister ursprünglich beabsichtigte. Zu allem Unglück verändert sich dann nicht nur sein Geist, sondern auch seine äußere Form kann sich ändern. Diese Veränderungen bleiben als dunkles Mal auch nach dem Verschwinden der Krampn zurück und können nur durch mächtige Magie rückgängig gemacht werden.